Nicht selten sitzen die Hundebesitzer im Junghundkurs mit leicht frustriertem Gesicht in der Runde. Alles hatte doch so gut geklappt. Jede Woche und manchmal täglich machte der kleine Wonneproppen Fortschritte. Er wurde stubenrein, schlief durch, konnte ohne Leine Gassi gehen und kam immer sofort, wenn „Mami“ ihn rief…
Und jetzt? Scheint sich der Augenstern in etwas zu verwandeln, was plötzlich gegen uns arbeitet. Schulterzuckend und resignierend wird das Ganze „ist halt in der Pubertät“ abgetan.
Das ist richtig. Aber wusstest Du, dass die Pubertät nur der Anfang einer längeren Entwicklung namens Adoleszenz ist? Und jetzt kommt die nicht so gute Nachricht: Diese beginnt mit der Pubertät (ca. 5./6. Lebensmonat) und dauert nämlich bis ca zum 3 Lebensjahr. Bei manchen Rassen (wie z.B. Herdenschutzhunden) auch noch ein Jahr länger.
Halt! Jetzt nicht aufhören zu lesen und den Hund zur Vermittlung anbieten… Wir möchten Euch in diesem Artikel erklären, was es damit auf sich hat und – good news! – was man dagegen tun kann.
Vielleicht ein kleiner Trost: Die Adoleszenz von jungen Menschen dauert von Beginn der Pubertät bis zum ca 22 bis 24 Lebensjahr. Viele Eltern können ein Lied davon singen. So lange müssen wir beim Hund nicht auf Erleuchtung warten. Aber fast drei Jahre müssen wir rechnen, bis aus dem kleinen Emotionsbolzen ein souveräner Begleiter geworden ist.
Aber! Von nichts kommt nichts. Also einfach abwarten bis es vorbei ist, ist nicht die richtige Devise. Denn wenn unser PuberTier, äh, PuberHund aus spontanen neuen und berauschenden Ideen, wie Passanten erschrecken, Radfahrer in die Reifen beißen, kleine Hunde hetzen oder Besucher zu Eis erstarren lassen ein richtig „geiles“ Hobby gemacht hat, wird es deutlich schwieriger werden ihn von diesem Tripp wieder wegzubringen.
Hilft Exorzismus gegen Pubertät? Wie heißt der Geist, der in meinen Hund gefahren ist? Es sind – wenn schon – mehrere Geister und ganz genau erforscht ist das noch nicht. Da sich alle Säugetiere ähnlich entwickeln, können wir am meisten von Studien an Menschen lernen.
Auch hier zeigt die Statistik, dass sich junge Menschen in diesem Alter unvernünftig, emotional und ohne Impulskontrolle verhalten können. Die traurige Sterberate von Jugendlichen spricht Bände: Zwischen 15 und 19 ist die Sterberate 33% höher als von 10-14 jährigen. Die meisten von Ihnen sterben bei Unfällen.
Das Gehirn gleicht einer Großbaustelle
Die Entwicklung des Gehirns erinnert während der Pubertät an eine Großbaustelle. Nicht alle Teile wachsen gleich schnell. Und wer zuerst wächst, hat mehr Einfluss auf die emotionalen Systeme und das Verhalten.
Einzelne Teile müssen erst ihre richtige Form entwickeln, bevor sie sich in das Bauwerk einfügen. Und das geschieht nicht im gleichmäßigen Tempo: Die einzelnen Bauabschnitte werden unterschiedlich schnell mit der Umgestaltung fertig.
Je nach Phase sind mal die Maurer, mal die Installateure und mal die Elektriker am Werk.
Der erste Spatenstich durch Geschlechtshormone
Die Geschlechtshormone lösen etwa ab dem 5-6- Lebensmonat die körperliche Entwicklung zur geschlechtlichen Reife aus. Damit erfolgt der ersten Spatenstich für eine mehrjährige Bauphase.
Bis zu diesem Zeitpunkt findet man im Hirn jede Menge Nervenzellen, viele Verschaltungen aber eine relativ langsame Verarbeitung der Impulse.
Nun sterben viele, bisher nicht genutzte Verschaltungen und Nervenzellen (die sog. graue Substanz) ab. Nur Strukturen, die häufig benutzt werden, bleiben erhalten und die werden jetzt auch noch richtig gepimt. Mit einer weißen Substanz, die sich um die Verbindungen legt, erhöht sich die Geschwindigkeit um das 3000fache.
Die Rechenleistung des Gehirns nimmt in dieser Zeit also zu. Die Denkprozesse werden deutlich beschleunigt bis der Heranwachsende Hund so schnell denkt wir ein adultes Tier. Per se eine gute Nachricht.
Aber – es war zu erwarten – auch hier gibt es wieder eine schlechte Seite der Medaille: Denn durch das unterschiedliche Wachstum der Hirn-Anteile führt diese Entwicklung dazu, dass juvenile Hunde zu Beginn der Adoleszenz unter besonders starkem Einfluss des limbischen Systems stehen.
Das Limbische System kann zwar auch intellektuelle Leistungen erbringen, ist jedoch hauptsächlich verantwortlich für Emotionen. So kann sich diese frühreife, vergleichsweise emotionale Region des Gehirns ungezügelt austoben und genau so fühlt sich das Zusammenleben mit unserem jungen Hund manchmal an.
Kurz: Ungebremste Emotion gegen Vernunft, Spielstand 0 : 10
Für diejenigen, die noch ein kleines bisschen tiefer einsteigen möchten: Östrogen (Hündinnen) fördert dabei das Wachstum des Hippocampus und Testosteron (Rüden) eher das der Amygdala. Beide Regionen sind Teil des Belohnungssystems. Die Amygdala wirkt als emotionaler Verstärker, gerade wenn es um Angst oder Wut geht (siehe Tabelle)
Die Tabelle lässt erahnen, warum junge Rüden oft emotionaler und impulsiver handeln als junge Hündinnen. Bitte beachte, dass Funktionen des Hippocampus und der Amygdala komplex und vielschichtig sind, und Emotionen durch eine Kombination verschiedener Hirnregionen und neuronaler Prozesse entstehen können.
Angst
- Hippcampus Aktivierung eher bei Hündinnen: Möglicherweise eine verringerte Angstreaktion, da der Hippocampus die Fähigkeit zur Kontextualisierung von Erfahrungen unterstützt und dabei hilft, Erinnerungen an bedrohliche Situationen zu verarbeiten.
- Amygdala-Aktivierung eher bei Rüden: Starke Angstreaktionen, da die Amygdala eine Schlüsselrolle bei der Verarbeitung von Angst und der Aktivierung des „Kampf-oder-Flucht“-Reaktionssystems spielt
Gedächtnisbildung
- Hippcampus Aktivierung eher bei Hündinnen: Wesentlich beteiligt an der Bildung von deklarativen und räumlichen Gedächtnisinhalten
- Amygdala-Aktivierung eher bei Rüden: Spielt eine Rolle bei der Verstärkung und Speicherung emotionaler Erinnerungen, insbesondere solcher mit starken emotionalen Assoziationen.
Stressbewältigung
- Hippcampus Aktivierung eher bei Hündinnen: Kann helfen, Stress zu bewältigen, indem er dabei hilft, negative Erfahrungen zu verarbeiten und in einem größeren Kontext zu verstehen
- Amygdala-Aktivierung eher bei Rüden: Kann zu einer erhöhten Stressreaktion führen, indem sie schnell auf potenzielle Bedrohungen reagiert und die Freisetzung von Stresshormonen auslöst
Ruhe und Sicherheit
- Hippcampus Aktivierung eher bei Hündinnen: Kann ein Gefühl von Ruhe und Sicherheit vermitteln, da er bei der Kontextualisierung und dem Verständnis der Umgebung hilft.
- Amygdala-Aktivierung eher bei Rüden: Kann dieses Gefühl beeinträchtigen, insbesondere wenn sie überaktiviert ist, was zu einem erhöhten Alarmzustand führen kann.
Junghunde sind Junkeys – die Sucht nach Dopamin
Dopamin ist DAS Belohnungshormon. Der „Thrill“ oder der „Kick“ – das sind die Wirkungen des großen D’s.
Entscheidend für die Adoleszenz ist die Suche nach dem belohnenden Erlebnis. Bei Hunden wie bei Menschen…
Die Zahl der Dopaminrezeptoren bei Jugendlichen sinkt um ein Drittel. Sie scheinen Situationen, die Erwachsene schon für aufregend halten, als wenig spannend wahrzunehmen. Sie brauchen stärkere Auslöser, was zu Extremen im Verhalten führt. Dabei ist stundenlanges Telefonieren oder Gaming eine überall bekannte Auswirkung. Lebensbedrohliche Mutproben und Kleinkriminalität zeigen die Auswüchse in anderer Richtung.
Für unsere Hunde zeigt sich nun:
Etwas, was für unseren Welpen spannend und lustig war, ist plötzlich langweilig. Deshalb reicht es auch nicht mehr, sich einfach nur mit freundlichem Gesicht hinzustellen und unseren Hund mit glockenheller Stimme abzurufen.
Die Reaktion: Der Hund schaut uns nur an, bleibt an Ort und Stelle stehen und scheint zu sagen „Das ist alles, was Du bietest!?! Warte, lass mich überlegen, ob das reicht…. Hab‘s mir überlegt: Nein – reicht nicht…!!“
Und weg ist der kleine Kerl in Richtung spielende Kumpels oder sich schnell bewegende Jogger, die viel toller sind als die öde Hundemama mit ihren Leckerlies.
Action! Und zwar sofort.
Wir stehen also da mit unseren Leckerlie und dem Gefühl, alles falsch gemacht zu gaben.
Handlungen, die von unseren jungen Wilden als belohnend empfunden werden, werden immer häufiger, mit schwindender Impulskontrolle und scheinbar null Gefühl für die Konsequenzen ausgeführt.
Hunde fordern andere Hunde mit nervigem Bellen und Herumspringen zum Spielen auf und lassen sich trotz aller Stoppsignalen des Gegenübers nicht davon abbringen.
Hüte- und Schäferhund beginnen, im Spiel zu jagen und zu hetzen. Sie reagieren dabei auch nicht auf die Stopp-Signale der gestressten Spielpartner, die die Rolle des gehüteten Tieres übernehmen (müssen).
Terrier-artige und anderen Rassen, die gerne mal Spaß-Kämpfe austragen, verfallen in kämpferischen Wahn und merken gar nicht mehr, dass aus Spaß auf einmal Ernst wird.
Das Risiko, der eigenen Unversehrtheit, dass die Tiere dabei eingehen, scheint für sie in dieser Situation zweitrangig. Der „Kick“ ist zu groß.
So haben die Junghunde in diesem Alter auch scheinbar kein Gefühl für ihre körperliche Kraft bzw. für Ihre eschwindigkeit.
Hier wird massiv gerempelt und nicht wenige Besitzer, sind schon auf ihrem Allerwertesten gelandet, weil der spielende Labbi sie im Herumrasen einfach mal umgenietet hat.
Auch kommt es in diesem Alter vermehrt zu Unfällen der Hunde selbst. Wenn das konzentrierte Aufsetzen der Füße durch wagemutiges und kopfloses Rennen entlang eines Steilhangs ersetzt wird, kann ein Hund dabei auch mal abstürzen.
Späte Impulskontrolle
Hunde in der Adoleszenz sind aber auch aus anderen Gründen scheinbar unkontrollierbar.
Dies ist auf die Entwicklung des sog Präfrontalcortex zurückzuführen. Diese auch als Stirnlappen bezeichnete Hirnregionen reift als letzte heran. Er ist jedoch verantwortlich für Impulskontrolle und der Erinnerung an vergangene Erfahrungen. So ist das Erkennen von Konsequenzen in diesem Alter weniger deutlich.
„Er weiß doch dass er in dieser Situation Fuß gehen soll!“ ist wenig hilfreich.
Und noch weniger hilfreich ist es, in diesem Alter mit Strafe auf Ungehorsam zu reagieren.
Was die Hunde in diesem Alter brauchen, ist klare Führung. Ressourcenkontrolle im Alltag und deutliche Grenzen im Umgang (und nein, das hat nichts mit Rucken an der Leine, laut werden und dem Hinzufügen von Schmerzreizen zu tun!).
Die Rudelordnungsphase zwischen Caniden erfüllt diese Bedingungen. Die Kleinen haben das Ende der Schonfrist im eigenen Rudel erreicht und lernen spätestens jetzt, was es mit der Ressourcenkontrolle und dem Respekt gegenüber Älteren Hunden auf sich hat.
Bei Mensch-Hunde-Rudeln wird leider oft viel zu spät erkannt, dass der Junghund eben kein Welpe mehr ist. So fehlen Struktur und Leitlinien im Zusammenleben, bis das System in einem Crash endet.
Wie dieser Crash aussieht, ist sehr unterschiedlich.
Von harmlosen Varianten wie der selektiven Taubheit, wenn der Junghund spielende Artgenossen sieht bis zum aggressiven Anbellen von Besuchern oder dem emotional völlig überforderten Jungrüden, der vor lauter ungebremster Impulse gar nicht mehr zu Ruhe findet.
Hunde sind in diesem Alter häufig nicht in der Lage, die aus unseren Augen richtigen Entscheidungen zu treffen.
Aber in dieser Orientierunglosigkeit sind sie „sauschnell“.
Oft viel zu schnell für Ihre Besitzer. Der trottelige Welpe, den man leicht einholen konnte, den gibt es nicht mehr. So verpassen viele Hundeeltern, ihre eigene Reaktionsgeschwindigkeit der ihres jetzt blitzschnellen Junghundes anzupassen.
„Er bringt sich doch immer selbst in diese Situationen! Er könnte doch auch ausweichen….!“ Mit diesem Zitat versuchte mir zuletzt eine Besitzerin zu beschreiben, wie ihr Hund immer wieder zu nah an fremden Menschen vorbeigeht und sie dann anbellt, wenn sie ihm in die Augen schauen.
Hier überwiegt Neugierde, Forschergeist und erhöhte Risikobereitschaft die Vernunft.
Die Gefühle sind bei Hunden in der Adoleszenz also schneller als „vernünftige“ Argumente. In der Folge reagieren Hunde in diesem Alter sehr impulsiv und spontan. Das Resultat sind sog „Spooky Periods“, aggressive Episoden, Phobien oder die Entdeckung neuer Hobbys, wie das Jagen von Wild oder – ‘weil halt kein Hase zur Verfügung steht‘ – Radfahrern oder Joggern.
Auch hier zum Vergleich die Statistik bei Menschen:
Männliche Fahranfänger etwa, die die Pubertät noch nicht ganz hinter sich gelassen haben gefährden überdurchschnittlich häufig sich und andere. So stellten 18- bis 24-Jährige 2012 etwa zehn Prozent aller Pkw-Führerscheinbesitzer in Deutschland. Ihr Anteil an Fahrern, die tödliche Unfälle verursacht haben, lag allerdings bei mehr als 26 Prozent.
Nicht selten sitzen die Hundebesitzer im Junghundkurs mit leicht frustriertem Gesicht in der Runde. Alles hatte doch so gut geklappt. Jede Woche und manchmal täglich machte der kleine Wonneproppen Fortschritte. Er wurde stubenrein, schlief durch, konnte ohne Leine Gassi gehen und kam immer sofort, wenn „Mami“ ihn rief…
Und jetzt? Scheint sich der Augenstern in etwas zu verwandeln, was plötzlich gegen uns arbeitet. Schulterzuckend und resignierend wird das Ganze „ist halt in der Pubertät“ abgetan.
Das ist richtig. Aber wusstest Du, dass die Pubertät nur der Anfang einer längeren Entwicklung namens Adoleszenz ist? Und jetzt kommt die nicht so gute Nachricht: Diese beginnt mit der Pubertät (ca. 5./6. Lebensmonat) und dauert nämlich bis ca zum 3 Lebensjahr. Bei manchen Rassen (wie z.B. Herdenschutzhunden) auch noch ein Jahr länger.
Halt! Jetzt nicht aufhören zu lesen und den Hund zur Vermittlung anbieten… Wir möchten Euch in diesem Artikel erklären, was es damit auf sich hat und – good news! – was man dagegen tun kann.
Vielleicht ein kleiner Trost: Die Adoleszenz von jungen Menschen dauert von Beginn der Pubertät bis zum ca 22 bis 24 Lebensjahr. Viele Eltern können ein Lied davon singen. So lange müssen wir beim Hund nicht auf Erleuchtung warten. Aber fast drei Jahre müssen wir rechnen, bis aus dem kleinen Emotionsbolzen ein souveräner Begleiter geworden ist.
Aber! Von nichts kommt nichts. Also einfach abwarten bis es vorbei ist, ist nicht die richtige Devise. Denn wenn unser PuberTier, äh, PuberHund aus spontanen neuen und berauschenden Ideen, wie Passanten erschrecken, Radfahrer in die Reifen beißen, kleine Hunde hetzen oder Besucher zu Eis erstarren lassen ein richtig „geiles“ Hobby gemacht hat, wird es deutlich schwieriger werden ihn von diesem Tripp wieder wegzubringen.
Hilft Exorzismus gegen Pubertät? Wie heißt der Geist, der in meinen Hund gefahren ist? Es sind – wenn schon – mehrere Geister und ganz genau erforscht ist das noch nicht. Da sich alle Säugetiere ähnlich entwickeln, können wir am meisten von Studien an Menschen lernen.
Auch hier zeigt die Statistik, dass sich junge Menschen in diesem Alter unvernünftig, emotional und ohne Impulskontrolle verhalten können. Die traurige Sterberate von Jugendlichen spricht Bände: Zwischen 15 und 19 ist die Sterberate 33% höher als von 10-14 jährigen. Die meisten von Ihnen sterben bei Unfällen.
Das Gehirn gleicht einer Großbaustelle
Die Entwicklung des Gehirns erinnert während der Pubertät an eine Großbaustelle. Nicht alle Teile wachsen gleich schnell. Und wer zuerst wächst, hat mehr Einfluss auf die emotionalen Systeme und das Verhalten.
Einzelne Teile müssen erst ihre richtige Form entwickeln, bevor sie sich in das Bauwerk einfügen. Und das geschieht nicht im gleichmäßigen Tempo: Die einzelnen Bauabschnitte werden unterschiedlich schnell mit der Umgestaltung fertig.
Je nach Phase sind mal die Maurer, mal die Installateure und mal die Elektriker am Werk.
Der erste Spatenstich durch Geschlechtshormone
Die Geschlechtshormone lösen etwa ab dem 5-6- Lebensmonat die körperliche Entwicklung zur geschlechtlichen Reife aus. Damit erfolgt der ersten Spatenstich für eine mehrjährige Bauphase.
Bis zu diesem Zeitpunkt findet man im Hirn jede Menge Nervenzellen, viele Verschaltungen aber eine relativ langsame Verarbeitung der Impulse.
Nun sterben viele, bisher nicht genutzte Verschaltungen und Nervenzellen (die sog. graue Substanz) ab. Nur Strukturen, die häufig benutzt werden, bleiben erhalten und die werden jetzt auch noch richtig gepimt. Mit einer weißen Substanz, die sich um die Verbindungen legt, erhöht sich die Geschwindigkeit um das 3000fache.
Die Rechenleistung des Gehirns nimmt in dieser Zeit also zu. Die Denkprozesse werden deutlich beschleunigt bis der Heranwachsende Hund so schnell denkt wir ein adultes Tier. Per se eine gute Nachricht.
Aber – es war zu erwarten – auch hier gibt es wieder eine schlechte Seite der Medaille: Denn durch das unterschiedliche Wachstum der Hirn-Anteile führt diese Entwicklung dazu, dass juvenile Hunde zu Beginn der Adoleszenz unter besonders starkem Einfluss des limbischen Systems stehen.
Das Limbische System kann zwar auch intellektuelle Leistungen erbringen, ist jedoch hauptsächlich verantwortlich für Emotionen. So kann sich diese frühreife, vergleichsweise emotionale Region des Gehirns ungezügelt austoben und genau so fühlt sich das Zusammenleben mit unserem jungen Hund manchmal an.
Kurz: Ungebremste Emotion gegen Vernunft, Spielstand 0 : 10
Für diejenigen, die noch ein kleines bisschen tiefer einsteigen möchten: Östrogen (Hündinnen) fördert dabei das Wachstum des Hippocampus und Testosteron (Rüden) eher das der Amygdala. Beide Regionen sind Teil des Belohnungssystems. Die Amygdala wirkt als emotionaler Verstärker, gerade wenn es um Angst oder Wut geht (siehe Tabelle)
Die Tabelle lässt erahnen, warum junge Rüden oft emotionaler und impulsiver handeln als junge Hündinnen. Bitte beachte, dass Funktionen des Hippocampus und der Amygdala komplex und vielschichtig sind, und Emotionen durch eine Kombination verschiedener Hirnregionen und neuronaler Prozesse entstehen können.
Angst
- Hippcampus Aktivierung eher bei Hündinnen: Möglicherweise eine verringerte Angstreaktion, da der Hippocampus die Fähigkeit zur Kontextualisierung von Erfahrungen unterstützt und dabei hilft, Erinnerungen an bedrohliche Situationen zu verarbeiten.
- Amygdala-Aktivierung eher bei Rüden: Starke Angstreaktionen, da die Amygdala eine Schlüsselrolle bei der Verarbeitung von Angst und der Aktivierung des „Kampf-oder-Flucht“-Reaktionssystems spielt
Gedächtnisbildung
- Hippcampus Aktivierung eher bei Hündinnen: Wesentlich beteiligt an der Bildung von deklarativen und räumlichen Gedächtnisinhalten
- Amygdala-Aktivierung eher bei Rüden: Spielt eine Rolle bei der Verstärkung und Speicherung emotionaler Erinnerungen, insbesondere solcher mit starken emotionalen Assoziationen.
Stressbewältigung
- Hippcampus Aktivierung eher bei Hündinnen: Kann helfen, Stress zu bewältigen, indem er dabei hilft, negative Erfahrungen zu verarbeiten und in einem größeren Kontext zu verstehen
- Amygdala-Aktivierung eher bei Rüden: Kann zu einer erhöhten Stressreaktion führen, indem sie schnell auf potenzielle Bedrohungen reagiert und die Freisetzung von Stresshormonen auslöst
Ruhe und Sicherheit
- Hippcampus Aktivierung eher bei Hündinnen: Kann ein Gefühl von Ruhe und Sicherheit vermitteln, da er bei der Kontextualisierung und dem Verständnis der Umgebung hilft.
- Amygdala-Aktivierung eher bei Rüden: Kann dieses Gefühl beeinträchtigen, insbesondere wenn sie überaktiviert ist, was zu einem erhöhten Alarmzustand führen kann.
Junghunde sind Junkeys – die Sucht nach Dopamin
Dopamin ist DAS Belohnungshormon. Der „Thrill“ oder der „Kick“ – das sind die Wirkungen des großen D’s.
Entscheidend für die Adoleszenz ist die Suche nach dem belohnenden Erlebnis. Bei Hunden wie bei Menschen…
Die Zahl der Dopaminrezeptoren bei Jugendlichen sinkt um ein Drittel. Sie scheinen Situationen, die Erwachsene schon für aufregend halten, als wenig spannend wahrzunehmen. Sie brauchen stärkere Auslöser, was zu Extremen im Verhalten führt. Dabei ist stundenlanges Telefonieren oder Gaming eine überall bekannte Auswirkung. Lebensbedrohliche Mutproben und Kleinkriminalität zeigen die Auswüchse in anderer Richtung.
Für unsere Hunde zeigt sich nun:
Etwas, was für unseren Welpen spannend und lustig war, ist plötzlich langweilig. Deshalb reicht es auch nicht mehr, sich einfach nur mit freundlichem Gesicht hinzustellen und unseren Hund mit glockenheller Stimme abzurufen.
Die Reaktion: Der Hund schaut uns nur an, bleibt an Ort und Stelle stehen und scheint zu sagen „Das ist alles, was Du bietest!?! Warte, lass mich überlegen, ob das reicht…. Hab‘s mir überlegt: Nein – reicht nicht…!!“
Und weg ist der kleine Kerl in Richtung spielende Kumpels oder sich schnell bewegende Jogger, die viel toller sind als die öde Hundemama mit ihren Leckerlies.
Action! Und zwar sofort.
Wir stehen also da mit unseren Leckerlie und dem Gefühl, alles falsch gemacht zu gaben.
Handlungen, die von unseren jungen Wilden als belohnend empfunden werden, werden immer häufiger, mit schwindender Impulskontrolle und scheinbar null Gefühl für die Konsequenzen ausgeführt.
Hunde fordern andere Hunde mit nervigem Bellen und Herumspringen zum Spielen auf und lassen sich trotz aller Stoppsignalen des Gegenübers nicht davon abbringen.
Hüte- und Schäferhund beginnen, im Spiel zu jagen und zu hetzen. Sie reagieren dabei auch nicht auf die Stopp-Signale der gestressten Spielpartner, die die Rolle des gehüteten Tieres übernehmen (müssen).
Terrier-artige und anderen Rassen, die gerne mal Spaß-Kämpfe austragen, verfallen in kämpferischen Wahn und merken gar nicht mehr, dass aus Spaß auf einmal Ernst wird.
Das Risiko, der eigenen Unversehrtheit, dass die Tiere dabei eingehen, scheint für sie in dieser Situation zweitrangig. Der „Kick“ ist zu groß.
So haben die Junghunde in diesem Alter auch scheinbar kein Gefühl für ihre körperliche Kraft bzw. für Ihre eschwindigkeit.
Hier wird massiv gerempelt und nicht wenige Besitzer, sind schon auf ihrem Allerwertesten gelandet, weil der spielende Labbi sie im Herumrasen einfach mal umgenietet hat.
Auch kommt es in diesem Alter vermehrt zu Unfällen der Hunde selbst. Wenn das konzentrierte Aufsetzen der Füße durch wagemutiges und kopfloses Rennen entlang eines Steilhangs ersetzt wird, kann ein Hund dabei auch mal abstürzen.
Späte Impulskontrolle
Hunde in der Adoleszenz sind aber auch aus anderen Gründen scheinbar unkontrollierbar.
Dies ist auf die Entwicklung des sog Präfrontalcortex zurückzuführen. Diese auch als Stirnlappen bezeichnete Hirnregionen reift als letzte heran. Er ist jedoch verantwortlich für Impulskontrolle und der Erinnerung an vergangene Erfahrungen. So ist das Erkennen von Konsequenzen in diesem Alter weniger deutlich.
„Er weiß doch dass er in dieser Situation Fuß gehen soll!“ ist wenig hilfreich.
Und noch weniger hilfreich ist es, in diesem Alter mit Strafe auf Ungehorsam zu reagieren.
Was die Hunde in diesem Alter brauchen, ist klare Führung. Ressourcenkontrolle im Alltag und deutliche Grenzen im Umgang (und nein, das hat nichts mit Rucken an der Leine, laut werden und dem Hinzufügen von Schmerzreizen zu tun!).
Die Rudelordnungsphase zwischen Caniden erfüllt diese Bedingungen. Die Kleinen haben das Ende der Schonfrist im eigenen Rudel erreicht und lernen spätestens jetzt, was es mit der Ressourcenkontrolle und dem Respekt gegenüber Älteren Hunden auf sich hat.
Bei Mensch-Hunde-Rudeln wird leider oft viel zu spät erkannt, dass der Junghund eben kein Welpe mehr ist. So fehlen Struktur und Leitlinien im Zusammenleben, bis das System in einem Crash endet.
Wie dieser Crash aussieht, ist sehr unterschiedlich.
Von harmlosen Varianten wie der selektiven Taubheit, wenn der Junghund spielende Artgenossen sieht bis zum aggressiven Anbellen von Besuchern oder dem emotional völlig überforderten Jungrüden, der vor lauter ungebremster Impulse gar nicht mehr zu Ruhe findet.
Hunde sind in diesem Alter häufig nicht in der Lage, die aus unseren Augen richtigen Entscheidungen zu treffen.
Aber in dieser Orientierunglosigkeit sind sie „sauschnell“.
Oft viel zu schnell für Ihre Besitzer. Der trottelige Welpe, den man leicht einholen konnte, den gibt es nicht mehr. So verpassen viele Hundeeltern, ihre eigene Reaktionsgeschwindigkeit der ihres jetzt blitzschnellen Junghundes anzupassen.
„Er bringt sich doch immer selbst in diese Situationen! Er könnte doch auch ausweichen….!“ Mit diesem Zitat versuchte mir zuletzt eine Besitzerin zu beschreiben, wie ihr Hund immer wieder zu nah an fremden Menschen vorbeigeht und sie dann anbellt, wenn sie ihm in die Augen schauen.
Hier überwiegt Neugierde, Forschergeist und erhöhte Risikobereitschaft die Vernunft.
Die Gefühle sind bei Hunden in der Adoleszenz also schneller als „vernünftige“ Argumente. In der Folge reagieren Hunde in diesem Alter sehr impulsiv und spontan. Das Resultat sind sog „Spooky Periods“, aggressive Episoden, Phobien oder die Entdeckung neuer Hobbys, wie das Jagen von Wild oder – ‘weil halt kein Hase zur Verfügung steht‘ – Radfahrern oder Joggern.
Auch hier zum Vergleich die Statistik bei Menschen:
Männliche Fahranfänger etwa, die die Pubertät noch nicht ganz hinter sich gelassen haben gefährden überdurchschnittlich häufig sich und andere. So stellten 18- bis 24-Jährige 2012 etwa zehn Prozent aller Pkw-Führerscheinbesitzer in Deutschland. Ihr Anteil an Fahrern, die tödliche Unfälle verursacht haben, lag allerdings bei mehr als 26 Prozent.